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Brief einer Abiturientin an unsere Schule

Brief einer Abiturientin an unsere Schule

„ Wenn ich etwas sage, verliert es sofort und endgültig die Wichtigkeit; wenn ich es aufschreibe, verliert es sie auch immer, gewinnt aber manchmal eine neue.“  

– Franz Kafka (1922 Tagebücher) –

Dieser Brief ist aus einer Stundenaufgabe im Deutsch Unterricht bei Frau Schiller entstanden. Als wir uns im Unterricht mit Franz Kafka und seinen Werken beschäftigt haben, laßen wir unteranderem auch Ausschnitte aus dem 130-seitigen Brief an seinen Vater. (Ich kann jetzt schon mal versprechen, dass mein Brief nicht dieses Ausmaß angenommen hat)

Frau Schiller gab uns daraufhin die Aufgabe einen persönlichen Brief an eine von uns freigewählte Person, Organisation oder Institution zu schreiben. Ich brauchte nicht lange bis mir die ersten Ideen kamen. Ein Brief an meine Eltern, an meine Freunde oder doch an eine Person die ich nicht leiden kann und der ich mal meine Meinung „geigen“ will. In meinem Kopf hatte ich ganz viele verschiedene Gedanken, doch dann kam mir eine andere Idee in den Kopf: Ein Brief an das Internat/Sportgymnasium.

Teile meiner Gedanken und Ansichten probierte ich also in diesem Brief in Worte zu fassen. Bevor ich anfing zu schreiben, hatte ich vor allem fast ausschließlich nur die negativen Aspekte erkannt, doch umso mehr ich über meine Zeit in Jena nachdachte, verschwanden diese negativen Erlebnisse und mir wurde klar was für ein Glück ich mit meiner Wahl nach Jena zu gehen hatte. 

Mir hat diese Aufgabe so richtig die Augen geöffnet!

Wenige Unterrichtsstunden später hatte Frau Schiller die Briefe fertig durchgelesen und war selbst überwältigt von unserer Umsetzung. Mein Brief war also nur einer von vielen wirklich gelungenen Schriftstücken, doch trotzdem ermutigte sie mich den Brief nicht einfach in der nächste Schublade verschwinden zu lassen, sondern auch andere daran teilhaben zu lassen.

Was mich letztendlich auf die Idee brachte diesen Brief als eine Art Abschiedsbrief an die Zeit im Internat und an dieser Schule los zu schicken.

Ich möchte mit diesem Brief meine Dankbarkeit für die letzten 3 Jahre in Jena zum Ausdruck bringen.

Ich übergebe Ihnen , Herr Rost und Herr Eismann, den Brief als Vertreter der Schule und des Internats. Natürlich habe ich kein Problem damit, wenn auch andere Erzieher und Lehrer diesen Brief lesen. Ganz im Gegenteil, ich bitte sogar darum, weil auch diese Teil meiner Entwicklung waren. Der Brief darf gerne im Erzieher- und Lehrerzimmer ausgelegt und vervielfältigt werden:

Liebes Sportinternat Jena,

als ich vor drei Jahren nach Jena zog, hatte ich kaum Erwartungen an die Zeit hier. Ich zog aus der Nähe einer Großstadt in eine, in meinen Augen, sehr kleine und zunächst total unspektakuläre Kleinstadt.

Ein bisschen wie in den schlechten Hollywoodfilmen, wo der Hauptdarsteller aus der Großstadt in die „Pampa“ kommt und er sich in dieser Zeit als Person völlig verändert. 

Ähnlich würde ich meine Zeit hier am Sportgymnasium auch beschreiben.

Ich kam als ein junges und unerfahrenes Mädchen hierher und gehe nun als gereifte, selbstbewusste junge Erwachsene hinaus ins Leben.

Man könnte dieses Internat als eine Fabrik der Persönlichkeitsentwicklung sehen, denn betrachtet man die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler dieser Schule, finde ich, kann man erkennen, wie sie sich als Person von Jahr zu Jahr verändert und weiterentwickelt haben. Betrachtet man sie einmal fern vom Sport, sieht man hier überwiegend selbstbewusste, zielstrebige, eigenständige und freundliche Persönlichkeiten, die die ihnen vermittelten Werte und Normen in ihrer ganz eigenen Art und Weise ausleben.

Ich kam vor drei Jahren hierher und bezog das Zimmer *** auf der ersten Etage des Internats. Zu Beginn noch total überwältigt und aufgeregt von dem ganzen Neuen, das mich erwartete, probierte ich mich so gut es geht in das ganze System einzufügen. Zurückhaltend, wie man mich eigentlich gar nicht kennt, versuchte ich neue Freundschaften zu knüpfen. Ich begegnete jedem freundlich und vorsichtig, weil ich ja nicht direkt die ersten Feinde haben wollte. Und ich merkte schnell, wer zu mir passte und mit wem es einfach nicht harmonierte.

Ich fügte mich von Tag zu Tag immer besser in mein Umfeld ein. Denn sind wir mal ehrlich, gibt es schon einen Unterschied zwischen dem Osten, in dem ich nun lebte,  und dem Westen, aus dem ich kam. Neben anderen Redewendungen und anderen Verhaltensweisen gehörte dazu auch die strengere Einhaltung von Normen und Werten.

Der Sport gab mir in dieser Zeit, wie auch heute, immer die Möglichkeit, dem Trubel zu entfliehen und zumindest für 90 Minuten in meine schon gewohnte Welt abzutauchen. Aber schnell gewöhnte ich mich auch an die „neue“ Welt um diese 90 Minuten herum.

Dass am Anfang die Erzieher mich täglich nach meinem Wohlbefinden fragten oder nach meinem Tag oder sogar nach dem, was ich an dem Tag noch vorhabe, machte mir vieles einfacher, weil ich wusste, zur Not ist hier immer jemand für mich da. 

Dass dieses allgemeine Interesse mit der Zeit immer nerviger wurde, ist nicht den Erziehern geschuldet, sondern eher dem, dass man sich dran gewöhnt hatte und es nicht mehr so wertschätzte wie zu Beginn.

Denke ich jetzt an meine vom Gefühl her immer schneller, manchmal auch zu schnell auf mich zukommende Zukunft, werde ich dieses Interesse sehr missen. Denn wenn ich dann in meine leere Wohnung komme, ist endgültig keiner mehr da, der täglich nach mir fragt! 

Doch auf der anderen Seite ist dann natürlich auch keiner mehr da, der am nächsten Tag fragt, wo man bis 3 Uhr nachts war.

Denn liebes Internat und liebes Sportgymnasium, auch wenn wir Sportler sind und international hochrangige Ziele verfolgen, sind wir genauso Jugendliche, die Grenzen austesten wollen, ihren Spaß haben wollen und ja, verdammt nochmal, auch mal bis spät in die Nacht feiern gehen wollen.

Aber auch da hat das Sportgymnasium unser Denken und Handeln beeinflusst. Denn bei aller Jugendlichkeit und dem damit verbundenen Leichtsinn sind wir alle talentierte Sportler, die mit dem nötigen Ehrgeiz  und einer Portion Glück in den nächsten Jahren zur nationalen oder internationalen Spitze gehören können. Darüber sollte sich jeder Schüler dieser Schule immer wieder im Klaren sein. 

Ich habe hier gelernt, dass nichts von allein kommt. Sowohl in der Schule muss man für die guten Noten arbeiten als auch auf dem Platz für den sportlichen Erfolg. Und egal wie viele Tiefschläge man erlebt, es wird immer wieder bergauf gehen. 

Ich habe womöglich in den drei Jahren in Jena mehr Tiefschläge erlitten, als ich Erfolge hatte. Aber die Unterstützung, die ich hier erfahren habe, sowohl von der Schule als auch vom Internat, hat mir immer gezeigt, dass – egal was passiert – die Hoffnung zuletzt stirbt.

Ohne die Menschen, die ich hier kennengelernt habe, wäre ich heute nicht die Person, die ich bin. 

Man hat mir Freiheiten gelassen, aber auch klare Grenzen aufgezeigt.

Man hat mich bis auf das Äußerste runtergeputzt, aber man hat mich auch in meinem Handeln bestärkt.

Man hat mich meinen eigenen Weg alleine gehen lassen, aber man hat mir auch geholfen, wenn ich Hilfe und Zuspruch benötigte.

Man hat mich aber vor allem akzeptiert und respektiert. 

Diese Offenheit und Nächstenliebe, die ich hier gespürt habe, sind mir noch nirgends sonst so extrem begegnet.

Mich haben diese drei Jahre in Jena zu einer besseren Version meines Ichs gemacht.

Die „Pampa“, und dieses Wort ist keinesfalls negativ gemeint, hat mich maßgeblich verändert.

Ich war Teil dieser Fabrik und bin nun im Endstadium der hier herrschenden Entwicklungsmöglichkeiten angekommen und werde in wenigen Wochen und Monaten die Fabrik als ein zum Transport fertiges Endprodukt in die große weite Welt verlassen.

Dass bei Endprodukten nicht immer alles perfekt ist, ist uns allen klar, aber ich habe die nötige Persönlichkeit und die Charaktereigenschaften, um den Transport, wo auch immer es hingehen mag, zu bestehen.

Ich bin bereit für die Zukunft, was auch immer mich erwarten wird.

Und ich werde immer an die schönen Augenblicke und Momente, die ich in dieser bezaubernden Stadt erleben durfte, zurückdenken. Jetzt nach drei Jahren kann ich voller Überzeugung sagen, dass es das Beste war, diesen Schritt damals zu wagen und es sich gelohnt hat, meine Heimat dafür hinter mir zu lassen. 

Danke, liebes Sportgymnasium, für diese Erfahrung, danke an die Erzieher, die mich in dieser Zeit begleitet haben, danke an das Küchenpersonal und danke an die Lehrer, die mich manchmal bis zur Weißglut getrieben haben, aber mich auch einiges gelehrt haben, danke für die Unterstützung von allen Personen, die mich hier in dieser Zeit begleitet haben, danke an Frau Schiller, die mich dazu ermutigt hat, diesen Brief auch wirklich loszuschicken, und vor allem danke an die vielen Personen, die ich hier kennenlernen durfte und von denen ich einige heute als meine engsten Freunde betrachten darf, auf die immer Verlass sein wird!

Macht’s gut!